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10.06.2016

Rundbrief Familie Schmiegel Seite 2

Wir sind Geschöpfe unserer Kultur

Wir hatten als Familie das Privileg, in eine ganz andere Kultur einzutauchen. In diesem Eintauchen lernt man viele Dinge an der fremden Kultur schätzen, aber auch an der eigenen. Obwohl wir in Malawi schon über vier Jahre leben, bleiben wir Geschöpfe unserer eigenen Kultur und zum Teil bleibt das Fremde fremd (»ganz egal wie lange ein Baumstamm im Wasser liegt, er wird kein Krokodil werden.« – Afrikanisches Sprichwort). Wir können uns gut in Menschen hineinversetzen, die jetzt zu Tausenden neu nach Deutschland gekommen sind. So wie wir uns manchmal fragen, warum Malawier dieses oder jenes tun, so wird sich mancher Flüchtling fragen, warum machen die Deutschen das so und nicht anders. Uns haben an dieser Stelle Malawier geholfen, das Fremde weniger fremd erscheinen zu lassen.

Dieses Eintauchen in eine andere Kultur hatte auch noch einen ganz anderen Lerneffekt. Vieles, was ich für »Wahrheit« gehalten habe, ist nur »Wahrheit« in meinem kulturellen Kontext, also relativ. Menschen, die in einem ganz anderen Kontext aufgewachsen sind, haben andere Werte, eine andere Art zu denken, die nicht einem aufklärerischen, postmodernen Denken entspringen. Als weltweite Kirche haben wir die Chance diese unterschiedlichen Kontexte zur Sprache kommen zu lassen mit allen Spannungen, die auch daraus resultieren können. Nicht eine Kultur sollte dabei Vorrang haben.

Gottesdienste mit Hand und Fuß und Herz

Vorbereitung auf den Ostergottesdienst

Die EmK-Gemeinden in Malawi haben sicherlich Schwierigkeiten, wenn es um die Organisation der Kirche oder auch Transparenz geht. Was ich aber immer bewundert habe, sind die Fröhlichkeit und Authentizität, mit denen die Menschen in Malawi Gottesdienst feiern. Die Gottesdienste waren für uns als Deutsche meistens zu lang und trafen nicht unsere Art von Spiritualität. Aber die Gottesdienste sind kulturell relevant für die Menschen hier und darum geht es. So hat das Liedgut und wie gesungen wird (tanzen, klatschen und trommeln) viele Anknüpfungspunkte an dem, was außerhalb der Kirchenmauern (Graswände) passiert. Die Art von Musik, die allgemein im Radio gehört wird, findet sich auch in der Kirche wieder. Kirchliche und weltliche Kultur beeinflussen sich wechselseitig. So wird hier in Malawi das Wort Fleisch und wohnt unter den Menschen.

Arbeit am Zomba Theological College

Letztes Jahr im Juli beendete Pastor Victor Chipa sein Studium am Zomba Theological College. Er hat inzwischen eine Dienstzuweisung im Bezirk Kamwendo (Zentralregion) bekommen. Seine Graduierungsfeier wird wahrscheinlich dieses Jahr noch stattfinden (zwischen Abschluss des Studiums und der eigentlichen Graduierungsfeier vergeht meistens ein Jahr). Pastor Felix Thawi erhielt deswegen erst dieses Jahr den akademischen Grad eines Bachelor of Divinity, obwohl er letztes Jahr schon sein Studium abgeschlossen hatte (siehe Bild; November 2015). Zurzeit studieren vier Studenten am Zomba Theological College. Mit diesem März hat auch mein letztes Semester Griechisch- und Methodismusunterricht begonnen.

Superintendet Daniel Mhone (links) freut sich mit Klaus Schmiegel über den Abschluss von Pastor Felix Thawi
Zurzeit studieren vier Studenten am Zomba Theological College, einer pro Studienjahr.

Schulungen mit den Pastoren

Die letzten drei Schulungen mit den Pastoren fanden erneut in Blantyre statt. Es ist schön zu sehen, dass nun nach viereinhalb Jahren manches von den Pastoren und Pastorinnen Schritt für Schritt umgesetzt wird, was sie in den Schulungen gelernt haben. Es ist und bleibt aber noch ein langer Weg. Und wir müssen anfangen in Dekaden zu rechnen statt in Jahren. Um das Resultat von Projekten und Schulungen im Alltag zu sehen, braucht es ganz viel Zeit und Geduld (»pangono, pangono« – »langsam, langsam«). In den ersten beiden Jahren wollte ich viel schneller voranschreiten, um möglichst viel an Unterrichtsstoff in meiner Zeit in Malawi abzudecken. Im Flughafen in Johannesburg hing eine Zeit lang eine Tafel mit einer afrikanischen Spruchweisheit, die mich daran erinnert hat, viel langsamer mit den Menschen in Malawi unterwegs zu sein: »Wenn du schnell gehen willst, dann gehe alleine. Wenn du weit gehen willst, dann musst du mit anderen zusammen gehen.«

Während der Schulungen mit den Pastoren und Pastorinnen gibt es auch eine Zeit, die wir »current issues« (aktuelle Anliegen) nennen, die im Prinzip der Geschäftssitzung während unserer Distriktsversammlungen in Deutschland entspricht. Bei den ersten Geschäftssitzungen vor drei/vier Jahren war es meistens ziemlich ruhig. Vieles wurde nur zur Kenntnis genommen und abgenickt. Inzwischen kann es bei den »current issues« hoch hergehen. Die Pastorinnen und Pastoren haben gelernt, kritisch nachzufragen und sich nicht mit einfachen Antworten zufrieden zu geben. Die Pastoren und Pastorinnen können inzwischen sehr genau formulieren, was sie bewegt, stört, aber auch Freude bereitet. Ich erlebe die »current issues« als eine sehr wertvolle Zeit, da hier ein Grundstein für eine offene Diskussionskultur gelegt wird, die in der malawischen Kultur, die obrigkeitshörig geprägt ist, eher unüblich ist.

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