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13.07.2019

»Chinamwali ndi Dzoma« oder »Lidia ndi Marko«?

Alle Welt kennt sie. Seit Jahrtausenden gibt es sie. Der Sozialismus hat sie gepflegt, und bis heute halten die Kirchen sie am Leben – auch in Deutschland. Die Rede ist von den Übergangsriten vom Jugend- zum Erwachsenenalter. Christine Schmidt berichtet von der Praxis in Malawi

Konfirmation und Einsegnung sind auch im säkularisierten Deutschland nicht wegzudenken. Selbst die sozialistische Jugendweihe hat sich in die Nachwendezeit gerettet.

Was sich in Deutschland oft um Geschenke dreht, ist in Malawi Dreh- und Angelpunkt; eine Sache der Ehre und des Zusammenhalts. Initiationsriten gibt es in allen Stämmen. Wer nicht mitmacht, ist raus aus der Dorfgemeinschaft.

Viele werden den Slogan »Ich mach’s mit« noch kennen. Das würden hier wohl auch die meisten Mädchen und Jungen sagen, wenn man sie nach ihrer Initiation fragt. Leider machen sie es denn aber nicht »mit« sondern »ohne« – die sexualpraktischen Übungen (ohne Kondome) am Ende des rund einwöchigen Programms. Dazu wird für jedes Mädchen ein älterer Mann aus dem Dorf engagiert, um dem Mädchen zu sexuellen Erfahrungen zu verhelfen. Da Frauen mit solcher Erfahrung hier attraktiver sind als ohne, stehen zumindest die Eltern dem positiv gegenüber. Positiv ist dann leider oft auch das Ergebnis des HIV-Tests, denn das Risiko der Übertragung ist groß. Viele Mädchen finden dann auch Geschmack an solchen sexuellen Beziehungen. Teenager-Schwangerschaften, und Vernachlässigung der Schule und Schulabbruch sind die Folge.

Entwicklung des Initiationsprogramms: Hier wird gesund und preiswert gekocht

Aber der Reihe nach: Ein solcher Übergangsritus, auch Initiation genannt, dauert rund eine Woche. In Malawi wird es für die Mädchen die »Chinamwali«, für die Jungen »Dzoma« genannt. Sie sollen auf ihre jeweilige Rolle und Aufgaben als Frau bzw. Mann in der Gemeinschaft vorbereitet werden. Nur weniges, wie das rituelle Waschen eines Verstorbenen, lernen beide Geschlechter. Unterrichtet wird in Form von Gesängen, theatralischen Darbietungen, Gesprächen und Ritualen – aber eben auch die genannten Übungen. Hinzu kommt die spirituelle Bedeutung der Initiation. Ziel ist es, die Mitglieder der Gesellschaft in der traditionellen Religion zu verankern.

Somit werden die Mädchen und Jungen in die Sitten und Gebräuche des Stammes eingeführt. Erst mit der Initiation werden sie zum Mitglied der Gesellschaft des Dorfes. Wer keine Initiation durchlaufen hat, ist ein Fremdling in seinem eigenen Dorf. Dies erklärt, warum die Initiation nach wie vor so bedeutend ist.

Kuti munthu akhale munthu, ndi unamwali, »Was eine Person zu einer Person macht, ist die Initiation«. Dies sind die Worte von Mayi Chisale, obwohl sie selbst die »alten Traditionen« verdammt. Als ich erwähnte, dass der Gebietsälteste die Initiation verbieten könne, sagt sie mir dass sie denkt, dies wäre ein Fehler: »Initiation muss es weiterhin geben, so dass die Kinder die Wege der Ahnen kennenlernen. Ohne diese würden die Leute nur wie Schafe sein! Sie würden wie wilde Tiere sein.«

Jessica Johnson in: Feminine futures: female initiation and aspiration in matrilineal Malawi. Journal of the Royal Anthropological Institute (N.S.) 24, 786-803. Übersetzung: Olav Schmidt

Dagegen werden die rituellen Handlungen von den Kirchen kritisch gesehen, besonders natürlich der Geschlechtsverkehr am Ende der Initiation. Gegen diesen stellen sich auch verschiedene andere Organisationen in Malawi. Ein Dilemma für die Familien, die sich zwischen Tradition und Vernunft zerrissen sehen.

Deshalb möchte die EmK in Malawi eine Alternative zu den traditionellen Initiationsriten entwickeln. Dem Frauenwerk kommt dabei die Schlüsselrolle zu, denn den Familien in unseren Gemeinden ist es wichtig, dass vor allem die Mädchen an einer Initiation teilgenommen haben. Sollte eine unverheiratete junge Frau schwanger werden, die nicht an einer Initiation teilgenommen, muss ihre Familie eine Ziege an den Dorfältesten abgeben. Eine Ziege entspricht mindestens zwei Monatsgehältern.

So entwickeln wir im Frauenwerk ein Programm, welches folgende Elemente enthält:

Aufklärung über die körperliche Entwicklung in der Pubertät

Aufklärung über HIV

Hygieneschulungen

Gesundheitsschulungen

Lebensplanung 

Stärkung des Selbstwertgefühls 

Verhalten innerhalb der Gemeinschaft

Grundlagen des christlichen Glaubens

Dieses Programm trägt den Namen »Lidia & Marko«. Es ist benannt nach Lydia, der Purpurhändlerin aus Thyatira, die eine starke und selbständige Frau verkörpert, und Markus, dem Begleiter des Paulus, der seine eigenen Wege ging und später das nach ihm benannte Evangelium schrieb.

Tricks und Tipps rund um die Essenszubereitung werden weitergegeben

Die Einheiten werden mit mir von einem Team des Frauenwerks entwickelt. Bei eintägigen Veranstaltungen »testen« wir die neuen Einheiten.

Schon zweimal kamen rund 15 junge Mütter aus der EmK in Blantyre zusammen und lernten zum Beispiel wie man kostengünstig und doch gesund kochen kann. Aber auch Ideen, wie sich ein Einkommen durch handwerkliche Arbeiten erzielen lässt, werden vermittelt. Einmal im Monat kommen die jungen Frauen zu den Testveranstaltungen zusamme

»Das Training war einfach super. Ich habe interessante Dinge gelernt. Kochen ist jetzt mein neues Hobby, weil ich jetzt weiß wie man gutes Essen zubereitet. Wir haben auch gelernt, wie man sich etwas dazu verdienen kann, z.B. wie man eine Geschäftsidee entwickeln und umsetzen kann. Mit dem, was ich gelernt habe, werde ich bald etwas Geld verdienen können.«     Mercy

Unter Berücksichtigung der Erfahrungen werden die Unterrichtsinhalte in Chichewa und Englisch erfasst und bei Frauenschulungen an Multiplikatorinnen aus den Gemeinden weitergegeben. Dann muss das Programm seine Nagelprobe bestehen: die Einbindung der Multiplikatorinnen auch aus den ländlichen Gebieten. Mit ihrer Erfahrung wird es bald heißen: »Lidia ndi Marko« statt »Chinamwali und Dzoma«. 

Christine Schmidt