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Hoffnung für Gehörlose [siehe]

26.11.2019

Lasst Hände sprechen

Das war das Motto der Sammlung »Kinder helfen Kindern« 2015/2016. Gesammelt wurde für Gehörlose in Liberia, doch die Umsetzung hat lange gedauert. Zunächst musste das Ende der Ebola-Epidemie abgewartet werden. Nach einer längeren Planungsphase wurde die neue Schule in Kakata gebaut.

Die meisten Kinder mit Behinderungen werden in Liberia traditionell von den Familien zu Hause »versteckt« und so gut wie nie gefördert. David Worlobah kam jedoch als Missionar der weltweiten EmK mit gehörlosen Menschen und Kindern in Kontakt. Er hat gesehen, dass sie meist nicht einmal mit ihren Familien kommunizieren können. Deshalb hat er das Programm »Hope for the Deaf – Hoffnung für Gehörlose« aufgebaut. Wir haben ihm einige Fragen gestellt:

David, warum und wie hast du die Arbeit mit Gehörlosen aufgebaut?

David Worlobah, Leiter des Gehörlosenprogramms der EmK Liberia

Die begrenzten Möglichkeiten der Schul- und Berufsausbildung für Gehörlose in Liberia haben mich sehr bewegt. An dieser Situation wollte ich unbedingt etwas ändern und Bildungsmöglichkeiten und Förderung für Gehörlose aufbauen.
Der Anfang war erstaunlich. Zunächst erlernte ich die Gebärdensprache. Dann habe ich in der ganzen EmK in Liberia nach Freiwilligen gesucht, die mich in dem Programm unterstützen würden. Doch nach einem halben Jahr war von sieben Freiwilligen nur noch einer aktiv. Das war Eric, der jetzt noch mein Mitstreiter in diesem Dienst ist. Dann haben wir in meinem Büro begonnen, die ersten Kinder zu unterrichten. Dabei war die größte Herausforderung, die Eltern zu überzeugen, dass sie ihr gehörloses Kind in die Schule schicken. Dies wird in der Regel als Zeit- und Geldverschwendung betrachtet.

Während links das Schulgebäude schon genutzt wird, soll der zweite Bau (rechts im Bild) noch im Dezember fertig gestellt werden

Mit Unterstützung der EmK-Weltmission wurde in Kakata ein Grundstück gekauft und zwei Gebäude gebaut. Wie wirkt sich diese Veränderung auf Deine Arbeit und die betroffenen Kinder und ihre Familien aus?

Das erste Gebäude ist bereits eingeweiht, das zweite soll im Dezember fertiggestellt werden. Diese Baumaßnahmen haben einen sehr positiven Einfluss auf meine Arbeit.

Zunächst habe ich festgestellt, dass ein großer Unterschied zwischen den Gehörlosen im städtischen Umfeld von Monrovia und dem ländlichen Umfeld in Kakata besteht. Ich musste meine Arbeit in diesem Umfeld neu verstehen und organisieren. Im ländlichen Umfeld muss ich doppelt so viel Zeit mit den gehörlosen Kindern verbringen. Die Eltern in und um Kakata messen der schulischen Ausbildung ihrer Kinder nicht so viel Bedeutung zu wie Eltern in der Hauptstadt. Die Kinder haben auch nicht so viel Zeit, da sie den Eltern helfen müssen. Also habe ich mit meinem Team die Strategie entwickelt, die Kinder zuhause zu besuchen und einzeln zu unterrichten. Damit bauen wir gleichzeitig eine enge Beziehung zu den Eltern auf und auch die Beziehung zwischen Eltern und Kindern wird intensiver. Infolgedessen verstehen die Eltern ihre Kinder besser und können sie trotz ihrer Gehörlosigkeit annehmen und wertschätzen. Gleichzeitig habe ich zu den Schülerinnen und Schülern auch eine enge persönliche Beziehung aufgebaut. Damit macht die Arbeit sehr viel Freude.

Die meisten Kinder und auch ihre Eltern, sehen inzwischen, wie wichtig Schulbildung und persönliche Weiterentwicklung auch für gehörlose Kinder sind. Viele Kinder können inzwischen Englisch lesen und schreiben. Die Eltern unterstützen ihre Kinder, denn sie haben gemerkt, dass auch gehörlose Kinder das gottgegebene Potential haben, aus ihrem Leben etwas zu machen. Bevor wir unsere Arbeit in Kakata begonnen haben, haben die meisten Eltern geglaubt, dass ihre Kinder nicht die Fähigkeit haben, irgendetwas zu lernen. Dieses Programm hat also die Wahrnehmung von Gehörlosen in Kakata grundlegend verändert.

Der Unterricht findet in kleinen Klassen statt

Was sind die größten Herausforderungen in den nächsten Jahren?

Da fallen mir zwei Dinge ein: Die Gebäude, die wir mit den Mitteln aus der Sammlung Kinder helfen Kindern gebaut haben, mit Leben zu füllen, ist sicher eine große Herausforderung. Das Nationale Trainingscenter für Gehörlose in Monrovia mit einem angeschlossenen Internat soll sowohl qualitativ hochwertige Schul- und Berufsausbildung für Gehörlose bieten, als auch Lehrer für Gehörlose und Gebärdendolmetscher für ganz Liberia ausbilden.
Außerdem müssen wir ein Ernährungsprogramm starten. Die meisten Schülerinnen und Schüler kommen ohne Frühstück in die Schule und viele haben auch kein Mittagessen. In Monrovia arbeiten wir mit der Organisation »Mary Meal« zusammen, doch wir wünschen uns eine vielseitigere Ernährung für unsere Schülerinnen und Schüler. In Kakata gibt es bisher gar keine Mahlzeiten in der Schule. Ein solches Ernährungsprogramm würde die Schüler ermuntern regelmäßig zum Unterricht zu kommen, oder sich überhaupt an der Schule anzumelden.

Wer profitiert besonders von der Arbeit mit Gehörlosen?

Ich möchte von zwei Kindern erzählen: Da ist zum einen Esther F. in der vierten Klasse. Sie ist 14 Jahre alt, das dritte Kind in ihrer Familie, aber die einzige Gehörlose. Als sie acht Jahre alt war, hat der Vater die Familie verlassen und weigert sich seitdem, für dieses Kind irgendwelche Unterstützung zu zahlen. Er hält es für Zeit- und Geldverschwendung, sie zur Schule zu schicken. Seiner Meinung nach soll Esther zu Hause bei der Mutter bleiben und ihr bei der Hausarbeit helfen, bis sie verheiratet wird. So geht es vielen gehörlosen Mädchen in Liberia.

Direkt nach der Ebola-Epidemie gelang es Esters Mutter, sie bei uns anzumelden. Sie konnte jedoch nur die Anmeldegebühr von circa drei Euro bezahlen, aber nicht das Schulgeld von etwa 35 Euro. Ich habe die Mutter in mein Büro eingeladen und mir die Situation erklären lassen. Seitdem wird ihr Schulgeld aus einem Spendenfonds der EmK-Weltmission finanziert.

David Worlobah, Leiter der Gehörlosenschule in Kakata mit Schülerinnen und Schülern. Hier herrscht gute Laune

Esther ist eine unserer fleißigsten Schülerinnen. Aus Dankbarkeit für unsere Unterstützung ist sie morgens eine der ersten auf dem Campus und fegt die Klassenzimmer. Sie nimmt auch an den Schneiderei-Kursen teil und möchte gerne einmal eine eigene Werkstatt für Frauenkleidung haben. Für uns wäre es ein großer Erfolg, wenn sie dieses Ziel erreichen würde und wir würden uns sehr mit ihr freuen.

Ein anderes Beispiel ist Michael M. Er ist elf Jahre alt und besucht die zweite Klasse. Als er zu uns kam hatte er nicht die geringste Ahnung, was Schule ist und wozu sie gut sein sollte. Doch nicht nur das Lernen fiel ihm schwer, sondern auch der Umgang mit den anderen Gehörlosen. Alles war so schwierig für ihn, dass er den ganzen Tag kein Lächeln zustande brachte, bis seine Mutter ihn nach der Schule abholte.

Das Team der Lehrer*innen ist gewachsen

Es dauerte lange, bis er erste Freunde fand und grundlegende Kenntnisse der Gebärdensprache lernte und so erschien es uns sinnvoll, dass es die erste Klasse wiederholte. Seitdem ist er sehr erfolgreich in den Schulfächern und in der ganzen Schule bekannt für seinen freundlichen Umgang mit Schülern und Lehrern. Bereits nach einem Jahr wurde er zum Kapitän seiner Fußballmannschaft gewählt. Er ist sehr glücklich, dass er in die Schule gehen kann. An seinem Geburtstag fragte ich ihn, was er nach Abschluss der Schule werden möchte. Er sagte, er möchte Lehrer werden, um anderen gehörlosen Kindern zu helfen. Die Eltern von Michael tun trotz ihres geringen Einkommens alles für ihr gehörloses Kind, denn sie lieben ihn so wie er ist. Das bewundere ich an ihnen.

»Hoffnung für Gehörlose« ist unser Motto und wir sind sehr dankbar, dass die EmK-Weltmission diese Hoffnung fördert und unser Programm unterstützt. Besonders dankbar sind wir den jungen Menschen, die mit der Aktion »Kinder helfen Kindern« die Erweiterung des Programms möglich gemacht haben.

Vielen Dank für das Gespräch.