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07.07.2017

Mit alten Vorstellungen aufräumen

Nora Hofmann aus der EmK Esslingen macht einen Freiwilligendienst in Malawi. Die Einblicke in die fremde Kultur führen zum Überdenken bisheriger Vorstellungen. So wird aus einem Freiwilligendienst ein Lerndienst. Lesen Sie hier ihren Bericht:

Nora Hofmann bei der Arbeit

Seit September 2016 unterstütze ich als Freiwillige die Erzieherinnen im Modellkindergarten in Blantyre, Malawi. Täglich kommen bis zu 55 Kinder im Alter von 2–6 Jahren. Ziel des methodistischen Kindergartens ist es, die Kinder mit der englischen Sprache, dem Alphabet und den Zahlen vertraut zu machen. Dies ermöglicht ihnen einen besseren Start in den großen Grundschulklassen mit oft 200 anderen Kindern. Leider können viele Eltern die Gebühren nicht immer bezahlen, sodass viele Kinder nur unregelmäßig zu uns in den Kindergarten kommen.

Es gibt täglich eine warme Mahlzeit (Maisbrei mit Beilage) die auf offenem Feuer gekocht wird und ein tägliches Programm: Nachdem morgens alle Kinder ihre Hände gewaschen haben, versammeln sich alle auf der Veranda. Dort wird das Vater Unser gebetet und die malawische Nationalhymne gesungen. Anschließend gehen die Jungen und Mädchen in eine der zwei Gruppen. Gemeinsam werden Lieder gesungen (in Englisch oder Chichewa), Gedichte gelernt, das Wetter bestimmt, die Anwesenheit geprüft und eine biblische Geschichte gelesen. Vor den Ferien schrei­ben die Älteren einen Test über das Gelernte, der zusammen mit ihren Bildern und Basteleien feierlich am letzten Kindergartentag vor den großen Ferien an die Eltern übergeben wird. Im freien Spiel können sich die Kinder im großen Garten mit Schaukel, Rutsche, Wippe und Holzhaus austoben.

Das tägliche Leben

Gerne spielen die Kindergarten-Kinder im Freien

In den acht Monaten in Malawi habe ich mich schon an Einiges gewöhnt und Anderes zu schätzen gelernt: Stromausfälle, Minibusse, fließend Wasser, Nsima (Maisbrei), Moskito­netze, unterbrochene Verfügbarkeit von Produkten (zurzeit gibt es keine Haferflocken) und vieles mehr. Oft stehe ich vor dem Regal im Supermarkt mit für mich eigentlich selbstverständlichen Nahrungsmitteln und kann sie mir aufgrund des hohen Preises nicht leisten (zum Beispiel Butter und Käse).

Meine größte Freude war der erste Regen Anfang November. In der Trockenzeit reichte schon ein verschütteter Eimer Wasser auf dem Boden, um mich nach dem Geruch von Regen zu sehnen.

Schon im Kindergarten beginnen die Kinder die Buchstaben zu erlernen

Auf den Straßen Malawis sind immer viele Menschen zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs. Meist tragen sie schwere Körbe auf dem Kopf oder transportieren große Dinge auf dem Gepäckträger. Hühner am Lenkrad oder Ziegen auf dem Gepäckträger sind nicht unüblich. Entlang der Straßen gibt es selbstgezimmerte Marktstände an denen Tomaten, Bananen, Särge, Bettgestelle, Kleidung aus der Altkleidersammlung, Plastikeimer und vieles mehr kunstvoll gestapelt und präsentiert zum Kauf angeboten werden. Gerne kaufe ich auch Mandasi (in fettgebackene Hefeballen), die überall frisch aus Eimern verkauft und auch von den Einheimischen gerne gegessen werden.

Ein für mich ungewöhnliches Geschenk erhielt ich beim Besuch des Heimatdorfes einer Kollegin. Ihre Mutter schenkte mir ein lebendiges Huhn. Dieses durfte bei mir auf dem Arm Motorradtaxi und Minibus zurück nach Blantyre fahren. Die Einheimischen machten sich etwas über meine hühnerfreundliche Transportart lustig. Das war mir aber egal.

Mali, Malaysia, Malaria?

Nora Hofmann mit »ihrer« Kindergartengruppe des methodistische Kindergartens in Blantyre, Malawi

Hier in Malawi fühle ich mich sehr wohl. Das Land hat viel zu bieten, obgleich der Unterschied zwischen armer und reicher Bevölkerung sehr extrem ist. Von Bergen, Teeplantagen über Nationalparks bis hin zu Traumstränden ist alles dabei. Trotzdem kennt kaum jemand Malawi. Für die meisten Afrikareisenden ist es nur ein Durchreiseland auf dem Weg nach Südafrika. Zuhause wurde ich immer gefragt: »Meinst du Mali? Malaysia? Malaria?« Niemand kannte Malawi, obwohl in dieses Land viele Entwicklungshilfegelder aus der ganzen Welt fließen.

Mein Freiwilligendienst gibt mir Einblicke in eine mir völlig fremde Kultur und Lebensweise, die ich immer besser kennenlernen darf. Bei vielen Dingen muss ich meine europäischen Vorstellungen zur Seite räumen und die Gegebenheiten so akzeptieren wie sie sind und meistens schon immer so waren. Ich bin dankbar für die Möglichkeit, ein für mich so wertvolles Jahr hier in Malawi zu verbringen.

Nora Hofmann