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02.04.2015

Unklare Zukunft in Deutschland

Die Zukunft in Deutschland dagegen war mehr als unklar. Würde ihm Deutschland jemals Aufenthalt gewähren – und wenn ja, würde er hier jemals eine Frau finden, die zu ihm passen würde?

Und was wäre, wenn er nach allen Opfern und Strapazen am Ende doch nach Pakistan abgeschoben würde? Dann würde er auf jeden Fall für seine Familie ein Sicherheitsrisiko.

Amjad konnte oft nächtelang nicht schlafen, klagte oft über Magenschmerzen.

Ein tragischer Zwischenfall

"Ich hatte manchmal Angst, dass Amjad sich etwas antut", erinnert sich Pastorin Christine Erb-Kanzleiter an diese Zeit. "Eines Morgens, als ich in mein Büro kam, und alles voller Scherben war, weil Amjad in der Nacht in die Glastür gefallen war, hatte ich große Mühe, noch Ruhe zu bewahren. Ich hatte Angst um Amjad, Angst um mein Büro, um das Kirchenasyl, die ganze Arbeit…"

Zum Glück konnte sie sofort zwei Menschen erreichen, die kamen und halfen. Eine Ärztin aus dem Haus schaute nach Amjad und verarztete ihn. Auch das Büro wurde schnell repariert.

Als Christine Erb-Kanzleiter klar wurde, dass Amjad zuviel Zeit alleine verbrachte, erweiterte sie sofort den Helferkreis. Amjad bekam nun zwei bis dreimal am Tag Besuch. Zum Beispiel von Hillary Coley, einer Fitnessexpertin aus der Peace Church, die einmal die Woche mit Amjad trainierte. Auch Veronika Rolle-Green ergänzte mit ihrer Familie den Helferkreis. Sie besuchte Amjad ein- bis zweimal die Woche, alleine oder mit den Kindern, bisweilen auch mit dem Familienhund. "Amjad hat mir viel von Pakistan und seiner Familie erzählt. Herausfordernd fand ich, von seinen negativen Gefühle gegenüber den Muslimen zu hören. Wir haben immer wieder davon gesprochen, dass es nicht der Islam als Religion ist, der Ursache für die gesellschaftlichen Konflikte ist. Auch über die deutsche Gesellschaft haben wir gesprochen, was anders ist, warum. Für mich war es eine gute Erfahrung die Herausforderung für Flüchtlingen zu verstehen, wenn sie plötzlich mit der postmodernen Realität konfrontiert sind."

Mit der Zeit wuchs Amjads Wortschatz gewaltig. Nicht zuletzt dank der unermüdlichen Deutschlektionen mit Nathalie. "In der Zeit, in der ich in der Kirche gelebt habe, habe ich eine Menge gelernt", erzählt Amjad heute. "Ich habe Deutsch gelernt und vor allen Dingen, wie man mit Deutschen spricht. Und ich habe viele Freunde gewonnen."

Amjad integrierte sich komplett ins Gemeindeleben der beiden methodistischen Gemeinden.

Gottesdienst in der Peace Church

Sonntags besuchte er erst den deutschsprachigen Gottesdienst um 9:30 Uhr, im Anschluss den englischsprachigen um 11:45 Uhr. Jeden Sonntag händigte er die Liederbücher aus und sammelte die Kollekte ein. Montags half er mit, die Kirchenräume zu putzen. Dienstags kochte er oft für den Müttergebetkreis, den Pastorin Christine Erb-Kanzleiter zu einem Gebetsabendessen umorganisiert hatte, damit Amjad Gesellschaft hatte. Und am Freitag kochte er manchmal Mittagessen für die zahlreichen Schüler, die zum Homeworkclub in die Kirche kamen.

"Früher, vor dem Kirchenasyl, bin ich zum Beten in die Kirche gegangen. Auch in Pakistan bin ich nur sonntags oder wenn es eine Veranstaltung gab in die Kirche gegangen. Aber die ganze Zeit über in der Kirche zu leben war etwas anderes. Die Menschen hier wurden meine Familie für mich." Das galt vor allen Dingen für die Familien, die im Kirchengebäude wohnten. Insbesondere für Pastor Kurt Junginger und seine Frau, bei denen Amjad oft zu Besuch war.

Am meisten aber für Pastorin Christine Erb-Kanzleiter, die alles für ihn koordinierte und fast täglich mit ihm in Kontakt war. Meistens weil sie ohnehin in der Kirche zu tun hatte. Aber nicht selten fuhr sie extra für Amjad in die Stadt und nahm dafür ein bis zwei Stunden Fahrt in Kauf. Zum Beispiel, um mit ihm über ein Anwaltsschreiben zu reden oder einen Brief der Ausländerbehörde zu erklären, manchmal aber auch nur, um mit ihm Zeit zu verbringen.

"Ich hatte hier eine sehr gute  Zeit", findet Amjad im Rückblick. "Ich bin Pastorin Christine wirklich sehr dankbar. Und ich danke Gott dafür, dass er mir so wunderbare und hilfsbereite Menschen an die Seite gestellt hat".

Diese Dankbarkeit empfinden auch wir, die wir Amjad während seines Kirchenasyls begleitet haben. Viele von uns haben sich erst bei einem Glas pakistanischen Tees bei Amjad kennengelernt. "Wir haben alle in eine Welt geschaut, die wir nicht oder nur flüchtig kannten", formuliert Pastorin Erb-Kanzleiter treffend und fügt an: "Die gemeinsame Fürsorge für einen Menschen hat uns zu Vertrauten gemacht. Wir können stolz sein auf das, was wir zustande gebracht haben. Die Gemeinden sind an der Aufgabe gewachsen, wenngleich es für die direkt Betroffenen auch sehr anstrengend sein konnte. Was wir zum Thema Asylpolitik in unserem Land erfahren haben lässt uns beschämt sein und hinterfragt massiv unsere christlichen Werte. Ich denke, wir können als Kirche gar nicht anders, als Menschen, die in unser Land fliehen, willkommen zu heißen und sie zu unterstützen, wo es nur geht".

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