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Website der Igreja Metodista do Brasil (Methodistische Kirche in Brasilien) [siehe]

Geschichte und Struktur der Methodistischen Kirche in Brasilien

Schlussbemerkung

Seit ihrer Autonomie vor mehr 75 Jahren, hat sich die Methodistische Kirche in Brasilien in schweren gesellschaftlichen Stürmen (zuletzt der Diktatur von 1964 bis 1988), wirtschaftlichen Umbrüchen (Entstehung einer modernen Wirtschaftsnation)und gewaltigen Wanderungsbewegungen (vom Süden in den Norden und vom Nordosten in den Süden) behauptet. Sie ist dadurch innerlich und äußerlich gewachsen, trägt aber auch viele dieser Spannungslinien in sich und hier und da auch schwer an ihnen.

Gleichzeitig spiegeln die Außenkontakte der Partnerkirche auf ihre Art die allgemein im Land vorhandene Selbsteinschätzung wieder, eine große Nation zu sein, der auf Weltniveau ein Platz eingeräumt werden sollte. Brasilien ist ein Schwellenland, dass die Schwelle hinter sich lassen will.

Die Einzigartigkeit seiner Religionsgeschichte und deren Einfluss auf die heutige religiöse Landschaft ist für außen Stehende und ich denke auch für Einheimische nicht leicht zu erfassen. Brasilianische Spiritualität ist mystisch-kontemplativ und vom Geist der Gegenreform geprägt und war erklärter Maßen gegen die Moderne ausgerichtet. In Brasilien sind weite Teil der charismatischen Bewegung und des Pfingstlertums direkte Erben dieser Grundeinstellung, die sie selber gar nicht geschaffen haben. Statt dessen haben sie, historisch gesehen, just in dem Moment vielen Menschen eine Alternative geboten, als die katholische Kirche, im Zuge des Zweiten Vatikanums, ihr protestantischtes Gesicht zeigte (die sogenannte Befreiungstheologie hat vielen protestantische Prinzipien zu Ehren verholfen). Vielfach heißt es, dass die Befreiungstheologie eine Option für die Armen propagierte, die Armen sich aber für die Pfingstkirchen entschieden.

Der tiefer liegende Grund dafür wird aber seltener genannt. Mit dem Übertritt in Pfingstkirchen wechselten viele Menschen die Kirche, aber eben gerade nicht ihre religiösen Grundüberzeugungen. Diese waren geprägt von der Idee einer Religion als kontemplative Mystik, deren höchstes Ziel die gefühlte Einheit mit Gott ist (ob sakramental vermittelt (= katholisch) oder im Herzen gefühlt (= evangelisch) spielt da keine entscheidende Rolle), also nicht die aus Gott gelebte Versöhnung mit dem Nächsten und schon gar nicht die Demokratisierung eines Landes oder die Wiederherstellung eines Rechtsstaates inspiriert vom Reich Gottes.

Trotzdem finden sich alle diese Tendenzen in allen größeren Kirchen. Ein Streit zwischen der einen oder anderen Tendenz wird heute, wie wohl auch in Deutschland, nicht mehr vorrangig als eine konfessionelle Auseinandersetzung wahrgenommen, sondern als ein Ringen, das die Kirchengrenzen vielfach überschreitet. Natürlich gibt es daneben auch weiterhin eher "klassisch konfessionelle" Streitpunkte: Katholischerseits kritisiert man eine protestantische Neigung zu fundamentalistischen Umgangsformen mit der Bibel, evangelischerseits stößt man sich am katholischen Bilderdienst und am Papsttum. Selten wird zugeben, dass die behauptete Unfehlbarkeit des Papsttums und die erklärte Unfehlbarkeit der Schrift Kinder der selben Epoche sind, und eigentlich nur katholische und die protestantischen Versuche darstellen, in den Stürmen ihrer Zeit (Ende des 19. Jhdts.) Grund unter den Füßen behalten. Aber hat eine der beiden es auf diesem Weg erreicht?

Der Protestantismus kam nach Brasilien um ein, aus seiner Sicht, religiös rückständiges katholisches Prinzip überwinden zu helfen und einen wirtschaftlich und politischen rückständigen Staat zu entwicklen und zu "christianisieren". Dabei machte die frühen Missionare durchaus einen Unterschied zwischen Ultramontanisten undefined[siehe] sowie Romanisten und republikanisch gesinnten Teilen der katholischen Kirche. Mit diesen rangen sie für Religionsfreiheit und soziale Rechte und Gerechtigkeit. Die Befreiungstheologie versuchte ähnliches als Reformbewegung innerhalb der eigenen Kirche und als politische Bewegung im Land.

Neu an der heutigen Lage ist, dass die im Katholizismus wieder zunehmend lautwerdenden romanisierenden Tendenzen den Wertvorstellungen der meisten Pfingstler und Neupfingstler sehr nahe stehen. Der Unterschied besteht darin, dass sie, zwar immer noch im „alten gut ultramontanistischen Geist“ nun aber eben selber den Staat in seine Schranken verweisen und vor ihren Karren spannen wollen. Folgerichtig ist in Brasilien das Thema der Religionsfreiheit vielfach nur dann ein Thema, wenn es um die jeweils eigene Freiheit geht.

Der Geist der Reformation, verbunden mit einem engagierten Glauben der in der Liebe tätig ist und der im anderen, Fremden, Christus erkennt, ist in Brasilien eindeutig eine Minderheitenposition, die allerdings Konfessionsgrenzen überschreitet. Manche/r Katholik/in,  manche/r Protestant/in aber eben auch manche/r Charismatiker/in und Pfinstler/in bringen heute zum Ausdruck, dass gelebter Glaube mehr sein könnte und sollte als die neuen alten Wege es andeuten. Noch ist das keine große Bewegung aber vielleicht eine Art von zukünftiger Ökumene von der wir viel erwarten dürfen.

Stand: Sommer 2008
Helmut Renders

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