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Ein Bericht vor der Ausreise nach Brasilien erschien ebenfalls in der Nordwest Zeitung [siehe]

Ausführliche Beschreibung über das ICP [siehe]

27.04.2012

Als »Rutschenhelfer« und Tröster gefragt

Der Praktikant Philipp Gruhlke berichtet von seinem Alltag im ICP (Instituto Central Do Povo) in Rio de Janeiro

Dieser Bericht erschien am 21.04.2012 in der Nordwest Zeitung Edwecht

Es ist 7.30 Uhr an einem Dienstag in Rio de Janeiro, genauer gesagt im Stadtteil Gamboa, Prevedencia, und mein Wecker klingelt, Guten Morgen! Naja – eigentlich nicht, denn ich bin schon seit mindestens einer halben Stunde wach. So wie jeden Morgen. Diese Tatsache habe ich einerseits den luftigen 28 Grad meiner Dachgeschosswohnung und andererseits der Ankunft der 200 Kinder zu verdanken, die schon am frühen Morgen quicklebendig sind.

Dann nichts wie unter die Dusche – mit kaltem Wasser! Es wäre natürlich auch lauwarmes Duschen möglich, allerdings erscheint mir das bei diesen Temperaturen fehl am Platz. Nachdem die Lebensgeister geweckt sind, geht es eine Etage tiefer zum Frühstück. Dort werde ich, wie immer überschwänglich freudig begrüßt. Es gibt wie jeden Morgen Milchbrötchen mit Margarine und Milchkaffee. Beim Milchkaffee gibt es Kaffee, Milch und Zucker grundsätzlich nur im Mischungsverhältnis 1:1:1. Die Brasilianer lieben es sehr süß!

Frühstück verteilen

Nach dieser kleinen Stärkung geht es mit einem Küchenangestellten und einer großen Plastikkiste, gefüllt mit Milchbrötchen und Kakao, zu den zwei Kinderhäusern auf den Hügel, um dort Frühstück zu verteilen. Die restlichen Gruppen holen sich ihr Essen selbst. Danach habe ich Pause und warte auf meinen Kumpel Valdo, mit dem ich die Kinder beim Spielen beaufsichtige. Das „Instituto Central do Povo“ (ICP) hat zwei eingezäunte Spielplätze mit jeweils einem Klettergerüst, wo sich die Kindergruppen nacheinander für etwa 30 Minuten austoben können.

Valdo und ich betreuen kleine Kinder zwischen einem und vier Jahren, die von ihren Eltern im ICP abgegeben werden. Die meisten Eltern müssen von 7 bis 16 Uhr arbeiten und da sie meistens alleinerziehend sind, können sie sich nicht selbst um ihre Sprösslinge kümmern.

Meine Aufgabe besteht vor allem darin, ein zu großes Chaos auf den beiden Rutschen zu verhindern. Es ist nun mal schwierig, wenn ein Kind rutschen möchte, aber sein Vorgänger die Rutsche hochklettert. Ich bin aber auch als Tröster gefordert, da es aufgrund des begrenzten Spielzeugs immer zu Konflikten kommt oder auch ’mal jemand fällt oder stürzt.

Aber es sind ja Kinder und als Kind ist sowas schnell vergessen, sobald etwas Spannenderes entdeckt wurde. Zum Beispiel meine Kamera!

Nach dem kräftezerrenden Spielen gibt es das höchstverdiente Mittagessen. Doch auch bis dahin ist der Weg nicht einfach. Es mag daran liegen, dass die Kinder mich ganz schön auf Trapp halten oder daran, das mich bereits wieder zwei dieser Kinder begleiten. Zwei kleine Mädchen, die auf meinen Füßen sitzen, nutzen mich als Sportgerät und klammern sich an meine Beine.

Das Mittagessen enthält immer zwei Grundbausteine, die in keinem brasilianischen Gericht fehlen dürfen. Reis und schwarze Bohnen. Dazu gibt es heute einen durchaus leckeren Hühnchenflügel.

Nach dem Essen steht eine Tour mit dem VW-Bus des ICP an, ein paar Besorgungen müssen gemacht werden. Bei dem Fahrzeug handelt es sich um ein Modell, das bei uns wohl nur noch auf dem Schrottplatz oder im Museum zu finden ist.

Zum Obsthändler

Es geht – mit geöffnetem Fenster – quer durch die Metropole. Ich genieße den Ausblick auf die wundervolle Stadt. In den von tropischen Bäumen gesäumten Alleen duftet es nach Frühling und Sommer zugleich, nach Früchten und Orchideen. Es geht zu einem Obsthändler, der dem ICP für wenig Geld seine Restbestände überlässt. Das ist die einzige Möglichkeit, genug Lebensmittel für die vielen hungrigen Mäuler zu bekommen.
Fortsetzung folgt